Ein paar Gedanken zum Thema Führung in einer Mensch-Hund-Beziehung.
Um die Frage zu beantworten, muss man hinterfragen, was einen guten Erziehungsberechtigten ausmacht, dem ein Hund (oder auch ein Kind) gerne folgen möchte.
Jeder, der schon einmal im Berufsleben mit einem schlechten Chef leben musste, kann sich sehr gut in das Thema einfühlen. In der Hundeerziehung verhält es sich nicht grundlegend anders. Die Aufgabengebiete sollten spannend und fordernd sein, der Umgang fair und sehr gerne auf Augenhöhe, Korrekturen und Kritik angemessen. Gleichzeitig zeichnet sich ein guter Chef durch Loyalität seinen Mitarbeitern gegenüber aus. Diese Loyalität kann er dann im Gegenzug auch von seinen Mitarbeitern erwarten, getreu dem Motto, "wie es hereinschallt, so schallt es heraus"bzw. "Führen durch Vorbild".
Zu aller erst in der Funktion als Vorbild! Ein guter Führer führt zum Vorteil seiner zu Erziehenden. Diese Vorteile sind für die zu Erziehenden klar erkennbar. Als Leader treffe ich also Entscheidungen, das bedeutet, dass ich anderen diese Entscheidungen abnehme. Leader zu sein bedeutet also, Verantwortung für andere Individuen zu übernehmen. Sich als angehender Hundehalter, also Leader, darüber im Klaren zu sein, bildet die unerlässliche Voraussetzung, dieser Aufgabe angemessen gerecht zu werden!
Mein Führen sowie meine Entscheidungen müssen auch aus hündischer Sicht nachvollziehbar sein, denn Hundeeltern sind gegenüber ihren Kindern vor allem eins: Konsequent. Insofern nützt es der erfolgreichen Hundeerziehung enorm, innerhalb der Familie Einigkeit über Regeln, die den Hund betreffen, herzustellen. Darf der Hund auf die Couch oder nicht? Gibt es Räume oder bestimmte Stellen im Haus, die für den Hund tabu sind? An die aufgestellten Regeln halten sich alle Familienmitglieder dann auch immer, denn diese einen Tag zu erlauben und den anderen nicht, verursacht beim Hund genauso Verwirrung, wie beim Kind. Für den Hund ist nicht nachvollziehbar, dass bei Fritz die Couch erlaubt ist, er aber bei Otto in seinem Korb liegen muss.
Selbst führen bedeutet auch draußen nicht, die Verantwortung a'la "die machen das schon unter sich aus" an den Hund wieder abzugeben, denn das würde auch ein "führender Hund" in seinem Rudel ebenfalls nicht machen.
Hierzu ein Beispiel aus dem Humanbereich: "Ida betritt mit ihrer Mutter das erste Mal einen Kindergarten zum Vorstelltermin. Während ihre Mutter von der Kindergärtnerin bei einer Tasse Kaffee die Konzepte des Kindergartens erklärt bekommt, schmeißen 2 Kinder mit ihren Schippen nach Ida. Als sich Ida verzweifelt in eine Ecke des Raumes zurückzieht, was ihre Mutter jetzt erst bemerkt und die Kindergärtnerin hierauf anspricht, erklärt diese bestimmt: "die lebt sich hier schon ein", woraufhin sich Idas Mutter erleichtert zurücklehnt.
Kurzfristige Auswirkung:
Was glaubst Du? Wird Ida begeistert in den Kindergarten gehen?
Langfristige Auswirkung:
Obiges Beispiel zeigt, dass sich Ida durch das Verhalten ihrer Mutter alleine gelassen und missverstanden fühlt. Je nach dem, wie oft sie in dieser sensibelen Phase ähnliche Erfahrungen macht, wird dies auf Dauer zu einem gestörten Vertrauensverhältnis zwischen ihr und ihrer Mutter führen. Die Entscheidungen die wir für unsere Kinder und "Hundekinder" treffen, werden von diesen auch als solche erkannt und nachvollzogen. Fühlt sich ein Hund aufgrund unberechenbarer und intransparenter Erziehungsmethoden "alleine gelassen", investiert er im Umkehrschluss auch selbst nicht in eine primäre soziale Beziehung. Dies führt dazu, dass er sich dem Menschen nicht von selbst anschließen wird. Bestechungen und Belohnungen seitens des Menschen stellen dann die Quintessenz dar, wenn die intrinsische Motivation des Hundes durch Vorgenanntes nicht mehr gegeben ist.
Wünschenswert ist ein gemeinsames Leben voller Verlässlichkeit und Gemeinschaft.
Bei Hundebegegnungen empfehle ich daher, zunächst selbst das Verhalten des anderen Hundehalters sowie dessen Hund genau einzuschätzen. Dies erfordert genaues Beobachten. Wirkt der andere Hund entspannt oder fixiert er meinen Hund sogar die ganze Zeit über schon?
Die Erkenntnis, der Kontakt zwischen beiden Hunden verläuft positiv und das Einverständnis auch des anderen Hundehalters vorausgesetzt, bewährt es sich, zunächst erst 1/2 Worte mit dem Halter zu wechseln. Sobald sich beide Hunde entspannt haben, kann ein Kontakt (wie das Wort schon sagt, ganz ent - spannt) zustande kommen.
Zunächst einfach ein paar Schritte an der Leine gemeinsam gehen und erst dann die Leine nach einer Zeit einfach abzunehmen verkörpert ebenfalls Gelassenheit und stellt eine weitere Möglichkeit dar. Der ersten Aufregung sowie Erwartungshaltung beider Hunde wurde ohne Mühe Abhilfe geschaffen.
Wenns doch mal nicht klappt:
Schätze ich den Hundekontakt als eher negative Erfahrung für meinen Hund ein bzw. erkenne bei meinem oder dem anderen Hund große Aufregung bzw Anspannung und "fixiert" ein Hund den anderen, oder zeigt gar Drohverhalten, ist es sinnvoll, eine Frontalbegegnung zu vermeiden. Entweder wird ein Bogen gemacht oder ich kehre ganz entspannt einfach um.
Mit Blick auf mein obiges Beispiel aus dem Humanbereich signalisierst du durch Vorbildverhalten Deinem Hund, dass er sich auch in Bezug auf Kontakte mit Artgenossen auf Dich verlassen kann. Durch Deine Moderation passiert ihm nichts und er kommt auch nicht unter die Räder. Gleiches gilt auch bei Kontakt zu fremden Menschen. Erste Anlaufstelle bei Menschen mit Streichelbedürfnis Deinem Hund gegenüber solltest ebenfalls Du sein.
Gefahren aus Sicht Deines Teampartners Hund stellen für diesen bedrohliche Alltagsgegenstände oder -Geräusche dar. Hier empfiehlt sich eine sukzessive Annäherung. Wenn z. B. Mülltonnen als gruselig empfunden werden, kannst Du dir als Halter diese einmal ganz genau anschauen und abtasten. Schenkt Dein Hund Dir schon ausreichend Vertrauen, wird diese dann weniger bedrohlich für ihn sein.
Wir erkennen anhand des Vorgenannten: Führen kann auch anstrengend sein. Daher sind die meisten Hunde sehr froh darüber, selbst nicht führen zu müssen.
Der Hund ist ein sozialer Beutegreifer. Jeder Hund erfreut sich daher auch an unterschiedlichsten Arbeiten mit dem Futterbeutel. In unserer Hundeschule passen wir die Beschäftigungsformen individuell an den Erziehungsstand sowie an die Rasse und Eigenschaften des Hundes an. Die Arbeit mit dem Futterbeutel (Beut(l)erei) ist auf jede Größe und Rasse des Hundes skallierbar.
Ein weiterer Vorteil der Dummyjagd ist, dass der Hund draußen "erwerbstätig" ist. Dies verschafft auch Selbstvertrauen und führt zu längeren Ruhezeiten. Durch den natürlichen Rhythmus des Hundes (Jagen - Fressen - Verdauen) werden unterschiedlichste Hormone ausgeschüttet. Selbst bzw. im Team "erbeutetes" Futter wird zudem gerne verzehrt! Dies bewirkte schon bei manch einem notorischen Futterverweigerer und Mäkler Wunder. Durch die Sättigungshormone nach dem Essen wird der Hund müde. Als gute Führungsperson respektierst du das und schaffst Deinem Hund eine Rückzugsmöglichkeit im Haus, in der er nicht gestört wird. Die Ruhezeiten beim Hund sind übrigens viel länger als bei uns Menschen, denn wir Menschen sind gesegnet mit mehr Tiefschlafphasen, die für eine schnellere Erholung sorgen.
Die daraus resultierende primäre soziale Beziehung zum Teampartner Hund ist wunderbar und jede Mühe wert!